Regenbogen-Streit: Welche Flagge soll es sein am Rathaus Schöneberg?

Der Tagesspiegel | 25.05.2023 | Sigrid Kneist

Eigentlich ist es ein so schönes Bild: Die queere Community versammelt sich unter dem Regenbogen. Er ist ein positives Zeichen, erzählt von Wünschen und Hoffnungen. Und Schöneberg ist bekannt für seinen Regenbogenkiez. Aber zumindest, wenn es um die offizielle Symbolik geht, scheint der Regenbogen nicht mehr zu reichen. Etwa bei den Flaggen.

Verschiedene Gruppen sehen sich durch die Regenbogenflagge nicht repräsentiert: Trans Personen und Intersexuelle haben inzwischen ihre eigenen Fahnen. So gibt es eine quasi erweiterte Regenbogenflagge, die sogenannte Progress Pride Flag, die auch die Symbole der Transsexuellen, der Transgender sowie von queeren People of Colour aufnimmt und in einer weiteren Variante außerdem die Zeichen der Intersexuellen deutlich abbildet.

Schon seit über 25 Jahren ist es üblich, dass zur Christopher-Street-Day-Parade und zum Lesbisch-Schwulen Stadtfest Regenbogenfahnen vor dem Schöneberger Rathaus aufgezogen werden. Allerdings nicht an den hoheitlichen Masten, sondern an zusätzlichen Fahnenmasten an den Seiten des John-F.-Kennedy-Platzes.

Regenbogenflagge soll an offiziellen Masten wehen

Am vergangenen Mittwoch brachte die CDU einen Antrag in die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) ein, die Regenbogenfahnen künftig „anlässlich der CSD-Parade und dem Lesbisch-Schwulen Stadtfest im Schöneberger Regenbogenkiez auch an den offiziellen Flaggenmasten vor den Rathäusern Schöneberg und Tempelhof zu hissen“. Der Tag der BVV passte genau zum Thema: Der 17. Mai ist der internationale Tag gegen Homophobie, Biphobie, Interphobie und Transphobie. Das Datum hat für Deutschland auch eine andere Bedeutung. Auf diese wies der Unions-Bezirksverordnete Carsten Buchholz hin. Erst 1994 wurde im Strafgesetzbuch der Paragraf 175 vollständig gestrichen, nach dem einst homosexuelle Handlungen strafbar waren. Für Schwule sei es oft eine Chiffre gewesen, sich mit dem vermeintlichen Geburtsdatum 17. Mai gegenüber anderen zu offenbaren.

Grüne, SPD und Linke brachten in der BVV einen weitergehenden Antrag ein, der sich nicht nur auf die Regenbogenflagge bezieht, sondern auch auf die Progress Pride Flag. Und auf dem Rathausturm soll dann weithin sichtbar die Regenbogenfahne wehen. Die drei Fraktionen betonten zwar, dass sie den Vorstoß der CDU begrüßten, fanden ihn aber nicht ausreichend. „Wir wollen den Antrag verbessern“, sagte etwa Elias Joswich von den Grünen. Es gehe auch darum, die Anliegen von Menschen sichtbar zu machen, die besonders diskriminiert seien. Gerade trans Personen seien besonders häufig Opfer von gewalttätigen Übergriffen, so Joswich. Man wolle eine Queerpolitik von heute auch durch die Fahne deutlich machen. Die Linken-Bezirksverordnete Katharina Marg wies ebenfalls darauf hin, dass Transphobie ein großes Problem sei: „Wir wollen nicht hinter die Progress Pride Flag zurück.“

Berliner Flaggenverordnung sorgt für Probleme

Der CDU war dieser Antrag zu weitreichend. Die Berliner Flaggenverordnung lasse die Progress Pride Flag nicht zu. In der Tat ist dort genau geregelt, wie die Regenbogenfahne auszusehen hat, die an offiziellen Masten geflaggt werden darf: Sie „zeigt sechs gleichmäßig breite Querstreifen in den Farben - von oben nach unten gesehen - Rot, Orange, Gelb, Grün, Königsblau, Violett“.

Manuela Harling von der SPD verwies darauf, dass die Flaggenverordnung von 2020 stamme, es die Progress Pride Flag aber erst seit 2021 gebe. Diese wurde am Tag der BVV-Debatte auch an der Seite vor dem Rathaus Schöneberg aufgezogen, vor der benachbarten Senatsjustizverwaltung hing eine erweiterte Progress Pride Flag.

Die CDU solle nicht so sehr an der Flaggenverordnung hängen, das kleine Risiko könne man schon eingehen, sagte SPD-Fraktionschefin Marijke Höppner. Das schien die CDU aber nicht zu überzeugen. Sie enthielt sich bei der Abstimmung. Gegenstimmen kamen nur von der AfD. Deren Bezirksverordneter Uwe Kasper sagte, wenn man Regenbogenfahnen zulasse, müsse man auch Fahnen anderer Gruppierungen akzeptieren, sonst habe man ein Problem. Er nannte als Beispiele die Fahnen der katholischen und evangelischen Kirche.